«so nahe als möglich» - Die Krippenlandschaft der Peterskapelle

Seit dem Mittelalter hat jede Epoche ihre eigenen Krippendarstellungen hervorgebracht. Auch in der Peterskapelle gibt es sehr verschiedene Darstellungen zu entdecken, die die Geburt Jesu veranschaulichen.
Graffitikunst stellt die Flucht der heiligen Familie in den Kontext unserer Gegenwart

Ezra Pirk (*1980) |
Luzerner Graffitikrippe (2017)

Klassische Krippenszenerie 

Am meisten sticht die «Tiroler Krippe» unter der Empore hervor.

Ihre geschnitzten Figuren stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie wird seit vielen Jahrzehnten an verschiedenen Orten in der Peterskapelle aufgestellt - früher oft vor dem Seitenaltar, heute im kleinen Raum unter der Empore, wo sie besonders schön zur Geltung kommt. Bei den Menschen aus Luzern und Umgebung ist sie sehr beliebt und wird während Advent und Weihnachtszeit von verschiedenen Generationen besucht.

Sie entwickelt sich im Laufe des Weihnachtsfestkreises: Während sie im Advent einfach eine Landschaft mit Vieh, Hirten und anderen Menschen darstellt, kommen kurz vor Weihnachten Maria und Josef dazu und in der Christmette dann das Jesuskind und der Engel, der auf das Ereignis der Geburt Jesu am Rande der Gesellschaft aufmerksam macht. Nach Neujahr bewegen sich drei weitere Gestalten mit einem veritablen Elephanten in Richtung der Szenerie, um am Hochfest der Erscheinung des Herrn, dem «Dreikönigstag», dann als die «Drei Weisen aus dem Morgenland» dem Neugeborenen ihre Geschenke zu bringen. 

Mit dem Abschluss des weihnachtlichen Festkreises am Fest der Taufe des Herrn, dem Sonntag nach dem 6. Januar, verschwindet die Landschaft dann wieder bis zum nächsten Advent. 

Das ganze Jahr Weihnachten

Das ganze Jahr über erinnert das Altarbild des rechten Seitenaltars an die Geburt Jesu.

Der bekannte Innerschweizer Maler Melchior Paul von Deschwanden (1811-1881) malte den Altarzyklus für die Peterskapelle um das Jahr 1840. Es war der erste grössere öffentliche Auftrag für den damals knapp dreissigjährigen Stanser Künstler, der zu der Zeit noch in Rom lebte, wo er im Kreis der Nazarener sein Handwerk entwickelte. Zu den noch heute in der Peterskapelle erhaltenen Bildern der Geburt Jesu (rechter Seitenaltar), des Gebets Jesu am Ölberg (linker Seitenaltar) und seiner Kreuzigung (Hochaltar) kommen noch zwei weitere, die 1942/43 an eine Kapelle in Leysin VD abgegeben wurden - ein Auferstehungsbild und ein Bild der Wiederkunft Jesu Christi am Jüngsten Tag. 

Das «Weihnachtsbild» gilt unter Kunsthistorikern als das gelungenste Werk in diesem Zyklus. Entstanden ist es als erstes Gemälde wohl noch in Rom.

Deschwanden selbst schrieb über dieses Bild:

«Ich habe das Christuskind auf die Erde gelegt, um die grosse Erniedrigung Desjenigen zu zeigen, der nichts hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte, und um dadurch (...) das Kindlein dem Auge des Andächtigen so nahe als möglich zu bringen.»

Versteckte Minikrippe

Eine weitere Krippendarstellung findet sich unter den Rosenkranzmedaillons des Barockmalers Jacob Carl Stauder, der auch für die Gestaltung der Aloysiuskapelle in der benachbarten Jesuitenkirche verantwortlich war. Diese Medaillons an der rechten Seitenwand stammen aus dem Jahr 1751.

Hier erscheint die Geburt Jesu innerhalb eines Zyklus' mit Szenen aus dem Leben seiner Mutter Maria, wie sie die sogenannten «Geheimnisse des Rosenkranzes» meditieren. Die ersten fünf Bilder, beginnend von hinten bei der Kerzennische, beleuchten die fünf «freudenreichen Geheimnisse», denen dann die fünf «schmerzhaften Geheimnisse» folgen, worauf abschliessend der letzte Abschnitt den fünf «glorreichen Geheimnissen» gewidmet ist. 

Die weihnachtlichen Szenen finden sich am Anfang unter den «freudenreichen Geheimnissen» - als erstes von rechts die Ankündigung der Geburt durch den Engel Gabriel (vgl. Lukasevangelium 1, 26-38), daneben der Besuch der schwangeren Maria bei ihrer ebenfalls schwangeren Cousine Elisabeth (vgl. Lukasevangelium 1, 39-56) und dann auf dem dritten Medaillon von rechts die Geburt Christi (vgl. Lukasevangelium 2, 1-21). In engem Zusammenhang dazu stehen auch die daneben gemalte Darstellung des Säuglings Jesus im Jerusalemer Tempel (vgl. Lukasevangelium 2, 22-40) und der verlorengeglaubte und wiedergefundene zwölfjährige Sohn im Tempel (vgl. Lukasevangelium 2, 41-52). 

Die Luzerner Graffitikrippe von 2017

Die zweitjüngste Krippendarstellung hat der Luzerner Künstler Ezra Pirk (*1980) im Jahr 2017 im Auftrag der Peterskapelle entworfen.

In sein Triptychon, das erstmals im Rahmen des Internationalen Weihnachtsforums «Venite» im Dezember 2017 gezeigt wurde, hat der international tätige Graffitikünstler diverse Spiegelflächen integriert, die uns selbst als Betrachtende ins Geschehen ziehen. Ausgangspunkt seines Werkes ist die Herbergssuche der werdenden Eltern Maria und Joseph, die bei ihrer Ankunft in Betlehem vor verschlossenen Türen und abweisenden Menschen standen. Ezra Pirk schlägt nicht nur durch die Spiegelfragmente den Bogen in unsere Gegenwart, in der Menschen auf der Suche nach Geborgenheit und Heimat immer wieder Zurückweisung erfahren und an Leib und Leben in Gefahr geraten. 

Wo verorten wir uns selbst in der Weihnachtsgeschichte? Wie begegnen wir Christus in unseren Tagen? 

Virtuell nach Betlehem

Während des Adventsmarktes «Venite» können Sie ab 15. Dezember dann wieder in die jüngste Krippe der Peterskapelle, in unsere «Virtuelle Krippe», eintauchen. Sie ist während der Coronapandemie 2020 im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit dem «Immersive Realities Research Lab» der HSLU entstanden und wird seither jedes Jahr weiterentwickelt.

Mittels einer VR-Brille erleben sie den Raum der Peterskapelle als virtuelles Experimentierfeld, auf dem die Geburt Jesu nochmals in einen ganz anderen Kontext gestellt wird. 

Einen Bericht von der letztjährigen Ausgabe finden Sie hier. Lassen Sie sich überraschen! 

 

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