Nachlese

1. Fastensonntag Liebe Gottesdienstgemeinde! Ich teile die Ansprache heute in zwei Teile auf:

1. Lesung Dtn. 26,4-10

Ich möchte mit ihnen einige Gedanken teilen zur aktuellen, allgemeinen  Situation:

Wir hören in der ersten Lesung, wie die Israeliten nach der Befreiung aus Ägypten Gott die ersten Früchte des Landes als Dank darbringen.

Ich sehe in dieser Erzählung eine Parallele zu uns heute: In Ägypten ging es den Israeliten schlecht. Die Ägypter machten sie rechtlos und legten uns harte Fronarbeit auf. Das könnte man so übersetzen: Der Virus, der steht hier für den Ägypter, nahm uns recht unter die Knute und verlangte uns harte Maßnahmen ab. Auch wir haben eine Art Wüstenerfahrung hinter uns:

Ziemlich genau vor zwei Jahren wurde der Lockdown ausgerufen. Am Anfang nahm man das noch locker und stellte sich auf einige wenige Wochen ein. Man freute sich an der Ruhe, der geschenkten Zeit, daran, dass die Natur sich erholte. Wir trugen Masken, dank weniger Flugverkehr atmete die Natur auf.

Seit drei Wochen sind wir in der Schweiz frei von Beschränkungen, die uns die Pandemie aufgedrängt hat. Für die meisten ein Aufatmen im wörtlichen Sinne, nicht mehr Maske tragen zu müssen und dass die Fasnacht stattfinden konnte. Andere sind immer noch ängstlich -zurückhaltend und verunsichert.

Und jetzt die Kriegsnachrichten! Wieviel können Menschen aushalten, ohne seelischen Schaden zu nehmen?

 1. Körperliche und psychische Folgen:

Gott wir bringen dir unseren Dank, dass die Einschränkungen hier bei uns fallen gelassen wurden. Wir bringen dir aber auch die Leiden, die schlimmen Krankheitsverläufe, die Einsamkeit, die psychischen und körperlichen Schäden, die die letzten zwei Jahre gebracht haben. Freundschaften und Familien haben sich im Streit um Corona entzweit.

Was habe ich verloren und unter was habe ich am meisten gelitten in den letzten zwei Jahren? Wo könnte ich ein Zeichen der Annäherung setzen und verwundete Beziehung heilen?

Wo muss ich erkennen und akzeptieren, dass die Steine Steine bleiben, die im Weg liegen und sich nicht verwandeln lassen?

Manche sind direkt an Corona erkrankt und haben Schlimmes erlitten. Andere haben durch den Druck und die Vereinzelung Schaden davongetragen. Zur körperlichen wie zur seelischen Stärkung haben wir am Anschluss des Gottesdienstes an diesem Krankensonntag die Möglichkeit, den Krankensegen entgegenzunehmen.

 2. Anfrage im Blick auf die Politik 

In einer außerordentlichen Lage waren die Maßnahmen und der Lockdown gravierende Einschnitte. Die Regierung stand unter ständiger Kritik. Politiker können nicht „Nicht-Entscheiden“. In unserem demokratischen Land haben die Führungspersonen über - und willentlich für - das Volk entschieden. - Für Herrscher anderer Länder scheint dagegen ein Menschenleben nichts wert zu sein.

Wie steht es um mein Vertrauen – in unsere Politiker, die führenden Wissenschaftler, Ärzte, Juristen? Habe ich mein Vertrauen in Menschen retten können oder wurde mein Vertrauen beschädigt?

Welche Rolle und Bedeutung hatten in dieser Zeit mein Glaube und mein Vertrauen in Gott? Habe ich mit Gott gehadert und mit ihm auseinandergesetzt? Oder hat mich mein Glaube getröstet und getragen? Welche Kraft geht von unseren gebeten aus?

 3. Tunnelblick

In den vergangenen zwei Jahren gab es kaum ein Treffen, keine Begegnung, bei der Corona nicht auf die eine oder andere Weise ein Thema war. Das fing bei den Begrüssungsritualen an: Nach asiatischer Art eine ehrerweisende Verneigung, ein lockerer Kick mit dem Fuß oder der Faust. Wieviel Nähe ist erlaubt, verantwortbar, respektvoll, erwünscht, notwendend?

Jetzt, da der Virus seine Polposition verloren hat, ist unser Ohr plötzlich wieder empfänglich für Nachrichten: 500 Menschen aus zwei überfüllten Fischerbooten aus dem Mittelmeer gerettet. Putin in der Ukraine, Putin in Mali – die Franzosen raus aus Mali. Der Krieg und die Gewalt werden wieder sichtbar. Wieder stehen wir hilflos da!

Oder wir sind wieder mit dem Blick bei der Lesung, die wir hören werden: Sie konnten Früchte ernten und fühlten sich frei und wie in einem Land, in dem Milch und Honig fließen. Die Fastenzeit gibt uns einen Impuls aus der Lethargie herauszufinden ins Handeln. Wir unterstützen mit unserem Fastenaktion Projekte für den Klimaschutz. Die Einheimischen in den Ländern des Südens werden motiviert, Familiengärten zur Selbstversorgung anzulegen, in trockenen Gebieten machen Schlüssellochgärten Gemüseanbau möglich, mit Permakultur-Methoden kann abfließendes Wasser bewahrt werden. Bienen helfen, landwirtschaftliche Nutzflächen zu retten.

Gott kann unsere Hände und das weltweite Wissen nutzen, um aus dieser Erde ein gelobtes Land erblühen zu lassen. Dazu gehört außer der Ernährung vor allem auch Gerechtigkeit und Frieden. Welch ein Traum, wenn die Armeen ihre Kraft und Waffen für das Bepflanzen von Gärten und Feldern einsetzen würden.

Evangelium Lk 4, 1-13  

Ich bin Gottes geliebtes Kind

Jesus hat Hunger! Er kann allen drei Versuchungen nach schnellem Stillen des Hungers widerstehen. Seit der Taufe im Jordan durch Johannes lebt aus der Gewissheit: „Ich bin Gottes geliebter Sohn“. Es wird Zeiten geben, da wird er bejubelt aber auch Zeiten, in denen er dafür Hass und Ablehnung ernten wird. Was auch auf ihn zukommen wird und wie sehr die Welt um ihn herum toben wird, behält er als Fixpunkt das Eine ganz klar im Blick und im Herzen: Ich bin Gottes geliebter Sohn. Ich bin die leibhaftige Hoffnung für die Menschen. Immer wieder wird Jesus sich stille Momente herausnehmen, sich zurückziehen um sich seiner Wirklichkeit – seiner Wirkung und seines Auftrags in der Welt bewusst zu bleiben.

Gewohnheiten als Versuchung

Gewohnheiten sind die Säulen unseres Alltags. Gewohnheiten machen etwa 40% unserer Handlungen aus. Im Autopilotmodus stehen wir am Morgen auf, die einen füttern zuerst die Katze oder machen ihre Morgengymnastik oder brauchen zu allererst einen Kaffee, Zeitung lesen, Mahlzeiten, Zähneputzen nicht vergessen und Licht aus… Wieder ist ein Tag vergangen. Gewohnheiten können uns aber auch ganz schön hinter das Licht führen und sozusagen zu einer Versuchung werden. In einer Studie durften die Versuchspersonen einen Film schauen und so viel Popcorn essen, wie sie wollten. Die eine Hälfte hatte frisches und knuspriges Popcorn, den anderen servierte man altes, abgestandenes. Das Ergebnis: Wer es gewohnt war, beim Filmschauen Popcorn zu essen, langte aus Gewohnheit zu, egal ob frisch oder nicht. All jene, die nicht die Gewohnheit hatten, passten ihr Verhalten den äußeren Umständen, in diesem Fall der Qualität des Popcorns an und griffen nur beim frischen Popcorn zu, das alte ließen sie liegen. Jesus lebt das beispielhaft vor: Lasst euch nicht von der Bequemlichkeit bestechen. Unterzieht euer Verhalten immer wieder einer kritischen Prüfung.

 - Aus Steinen Brot machen. Jesus bewahrt sich seine Unabhängigkeit. Man sagt doch im Volksmund: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Das heißt für uns: Lass die Steine ruhen. Vergeude nicht deine Energie in Konflikte und bewahre dir deine innere Freiheit.

 - Ich lege dir die ganze Welt zu Füssen. – Der Teufel würde mich holen, wenn ich von jemandem dieses Versprechen annehmen oder erwarten würde. Vielmehr: Schütze deine menschlichen Beziehungen vor Überforderung gegenüber dem anderen und gegenüber dir selbst.

 - Stürze dich in die Tiefe, ich fang dich auf. – Ich weiß doch aus eigener Erfahrung und sehe auch bei anderen, was sich im Laufe eines Lebens an Höhen und Tiefen, Höhenflügen und Abstürzen abspielt. Ein Leben in Fülle bedeutet nicht, stets gesund und grenzenlos leistungsfähig zu sein. Ein Leben in Fülle ist genau ein Leben, das sich den Herausforderungen anpassen kann um das eigene Leben zu leben.– Denken sie an das Popcorn-Experiment - Die Fülle des Lebens ist nicht, möglichst viel Po0pcorn in sich hineinzustopfen.  Den Mut zu einem Leben mit Risiko und Veränderung ergibt sich aus dem Vertrauen, dass Gott mich auffängt. Am Ende, wenn sich mein Leben von Zeit und Raum löst, ist Gott das Ziel und die Erfüllung.

Die Gedanken werden zur Versuchung

Die Versuchung kommt nicht von außen, sondern kann auch unseren Gedanken entspringen Zum Schluss eine Erzählung nach Thich Na Than.: Ein Mann kommt aus dem Krieg zurück. Als er an die Türe klopft, wird im aufgetan. Seine Frau hat inzwischen einen dreijährigen Sohn. Der Mann fordert das Kind auf, ihn doch Papa zu nennen. Das Kind sträubt sich: „Der am Abend kommt, der ist mein Vater. Wenn wir uns an den Tisch setzen, setzt er sich mit uns an den Tisch und wenn Mutter sich hinlegt, legt auch er sich hin.“ Enttäuscht verlässt der Mann das Haus, ersäuft seinen Kummer tagaus-tagein im Alkohol. Die Frau ebenso traurig, verkriecht sich ins Schweigen. Eines Tages findet der Mann seine Frau, sie hat sich umgebracht! Der kleine Junge weint und klagt: „Jetzt kommt auch mein Vater nicht mehr am Abend. Immer wenn Mutter da war, habe ich ihn als Schatten an der Wand gesehen.“ Mit Entsetzen muss der Mann erkennen, dass der Junge den Schatten seiner Frau, den die Lampe am Abend an die Wand warf, für seinen Vater gehalten hat.

Wir sehen: Die teuflischen Versuchungen sind nicht leicht auf den ersten Blick zu entlarven. Die Fastenzeit kann uns wacher machen, „geheime Verführer“ zu durchschauen.

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

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